Absturz eines englischen Fliegers in Osterwick.
In der Nacht von Donnerstag, den 10. 9. auf Freitag, dem 11. 9. 1942 wurde gegen 12 Uhr vom Postamt Coesfeld gemeldet: „Fliegeralarm in Coesfeld“. Kurz darauf sah man, vom Turm in Osterwick, wie auf der ganzen Front von Emmerich über Recklinghausen bis Dortmund zahlreiche Scheinwerfer den Himmel absuchten und ein starkes Flakfeuer einsetzte. Zahlreiche Leuchtkugeln, darunter mehrere in Bündelform, standen tief am Horizont, so daß der Hauptangriff weiter entfernt sein mußte. Da keine feind Flieger über den Amtsbezirk geflogen waren, und der Angriff offensichtlich dem Industriegebiet galt, habe ich noch keinen Alarm gegeben.
Als ich um 12,05 Uhr in großer Höhe einen kleinen Lichtschein beobachtete, nahm ich an, daß es ein angeschossener Flieger sei, und zog die Sirene. Der Lichtschein wurde stärker und kam aus Richtung Coesfeld schräg auf Osterwick–Rosendahl herunter. Schon bald erkannte man, daß es ein abstürzendes brennendes Flugzeug sein mußte. Kurz vorher wollen Verschiedene Maschinengewehrfeuer in der Luft gehört haben. Ich habe dieses nicht festgestellt, wohl dagegen ca. 10 Minuten vorher das Schießen der leichten Flak in Tungerloh – Scheinflughafen – beobachtet und gehört.
Das brennende Flugzeug kam aus sehr großer Höhe und brauchte verhältnismäßig lange Zeit bis es auf den Boden aufschlug. Es explodierte mit starkem Feuerschein, viele Teile des Flugzeugs wurden mehrere hundert Meter hochgeschleudert. Starke Rauchentwicklung und eine feuersprühende Fontäne begleiteten diese Erscheinung. Auf der Erde brannte zunächst ein starkes gelbes Feuer. Der Absturz war offensichtlich innerhalb des Amtsbezirks Osterwick in Richtung Meickmann-Feldkamp, Weersche, erfolgt. Die Feuerwehr wurde sofort durch Weckerlinie alarmiert, jedoch konnte noch nicht einwandfrei die Absturzstelle festgestellt werden.
Inzwischen war ein weiterer Brandherd neben dem brennenden Flugzeug mit dunkelrotem Feuerschein entstanden. Die Motorspritze mit Bedienung ist daraufhin sofort in Richtung Weersche ausgerückt. Erst in Höhe des von der Darfelderstraße zur Weersche abführenden Weges wurde festgestellt, daß der Hof des Bauern Hermann Meickmann-Feldkamp in hellen Flammen stand. Der für diesen Teil der Gemeinde zuständige Bergungstrupp unter dem Kommando des Försters Sauer war bereits in voller Tätigkeit und hatte den größten Teil des Inventars bereits aus dem brennenden Haus herausgeschafft. Die Freiw. Feuerwehr Osterwick unter dem Kommando des stellvertretenden Wehrführers Hermann Benning, sowie die inzwischen ebenfalls alarmierte und einige Zeit später eintreffende Feuerwehr Darfeld unter dem Kommando des Wehrführers Benning konnten durch ihr tatkräftiges Eingreifen den noch erhaltenen Teil des Wohngebäudes retten. Auch der an der Schadensstelle anwesende Tierarzt und Ortsgruppenleiter Dr. Weitzmann leistete gute Hilfe.
Sofort bei dem an mehreren Stellen noch stark brennenden Flugzeugs – MG.-Munition detonierte noch dauernd – haben dann Polizeihauptwachtmeister Suuck, Förster Sauer, Unteroffizier Paul Fedders und der Unterzeichnete Ermittelungen nach der Herkunft des Flugzeugs angestellt.
In der Brusttasche eines zerrissenen Waffenrocks fanden wir eine Tabelle in englischer Sprache über die Berechnung für Bombenabwürfe.
Darauf wurden sofort weitere Ermittlungen wegen Lebensgefahr eingestellt und die Absturzstelle des Flugzeuges völlig abgesperrt. Das Flugzeug brannte noch stundenlang mit starkem grünlich und gelbweißlichem Feuerschein und großer Rauchentwicklung. Ringsum auf der Weide und auf dem Hof Meickmann-Feldkamp blinkten dauernd an vielen Stellen aufflammende Phosphorteile auf.
Der Hof Meikmann-Feldkamp ist voraussichtlich durch Bombenteile oder glühende Flugzeugteile oder verspritzende Brennstoffmengen angezündet worden. Der Hof wurde zu ⅔ bis auf die Umfassungsmauern eingeäschert. Die Wiederaufbauarbeiten sind sofort in die Wege geleitet worden. Nach
Feststellung eines Offiziers der Flughafenkommandantur Handorf bei Münster ist das Flugzeug eine zweimotorige Vickers Wellington.
Das Flugzeug war beim Aufschlagen explodiert Außerdem ist wenigstens noch eine 250 L.B. englische Bombe krepiert. Teile des Flugzeugs sind bis zu 200–300 m weggeschleudert. In weitem Umkreise wurden Teile der abgestürzten Flugzeugbesatzung gefunden. Alle Teile waren bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt. U. a. sind zwei Maschinengewehre in einer Entfernung von 250 m in einer Weide hinter dem Hof Niehues gefunden worden.
Nachdem gestern Abend die brennenden Reste des Flugzeuges erloschen waren, wurden unter dem Rumpf des Flugzeuges in einem 4 m tiefen und 8 m breiten Trichter noch 2 völlig verkohlte Leichen der Besatzung gefunden. Insgesamt werden 4–5 Mann zur Besatzung gehört haben.
Von drei englischen Fliegern konnte aus vorgefundenen Resten die Identität festgestellt werden. Es sind die Flieger:
1.) Sgt. Pollard, C.E. Toronto (Kanada) Ord. 1 492 090, 509 Westmount Ave, (Angaben entnommen aus einem an der Absturzstelle gefundenen Notizbuch, das sich jetzt bei der Fliegerhorstkommandantur Handorf bei Münster befindet)
2.) Cliff’ Sullivan (mit Tintenstift geschriebener Namenszug auf einem Lederstreifen, der an dem Waffenrock außen angenäht war.)
3.) McCasky, R.C.A.F., W O A G, R 110750
Der Leichnam ist einwandfrei identifiziert.
Der Leichnam des Casky und die Überreste der übrigen englischen Flieger wurden heute, am Samstag,den 12. 9. 1942 auf dem Friedhof in Osterwick unter Teilnahme des Pfarrers der Gemeinde Osterwick und eines Zuges der z.Zt. in Coesfeld einquartierten Panzergrenadiere mit militärischen Ehren beigesetzt.
Hf [Dr.Herbsthoff]
Osterwick, den 15. 3. 1943
Heute – am 15. 3. 1943 – wurde von Schulkindern auf der Weide des Bauern Meickmann-Feldkamp in Osterwick, Dorf 88 eine Erkennungsmarke mit folgender Anschrift gefunden:
Vorderseite:
CAN R 109023 AJRMANN DL PABLO OD RCAF
Rückseite:
DO NOT REMOVE
[Handschriftlich hinzugefügt: 4. Flieger]