Fliegerangriff in Darfeld, Holtwick und Osterwick
in der Nacht vom 25./26 Juni 1943.
Um 12,50 Uhr meldete Coesfeld Fliegeralarm. Die ersten feindlichen Flieger kamen gegen 1 Uhr aus westlicher Richtung über Osterwick. In Osterwick wurde um 1 Uhr Alarm gegeben. Kurz nach dem Alarm sah man in westlicher Richtung tief hängende Wolken schwach rot von oben angeleuchtet. Ich nahm an, daß über den Wolken ein feindliches Flugzeug in Brand geschossen war.
Nachdem vorübergehend der Feuerschein erloschen war, stürzte um 1,35 Uhr ein brennendes Flugzeug, das hoch in der Luft in mehrere Teile auseinandergerissen war, unter sehr starkem Feuerschein in Richtung Holtwick ab. Kurz vor dem Aufschlag hörte man 2 schwere Detonationen. Beim Aufschlag selbst entstand ein hell roter, weithin leuchtender Feuerschein. Es war eine Stirling der 90. Staffel, Wratting Common. Ziel Wuppertal [24./25.Juni 43] oder Gelsenkirchen. Der Pilot hieß: John Frederick Charles McKenzie ( Australische Luftwaffe = RAAF). Kennung des Flugzeuges: WP-Y.
Kurz darauf fiel eine Kette Stab- und Phosphor-Brandbomben in Richtung Weißenburg–Billerbeck/Kspl. Fast zur gleichen Zeit folgten Abwürfe weiterer Brandbomben in Richtung Schöppingen–Darfeld–Burlo und Coesfeld.
Vom Turm aus konnte man ferner deutlich den Abwurf einer großen Anzahl Brandbomben in Richtung Fürstliches Sundern rauschen hören. Es sind hier 200 Stabbrandbomben und 30 Phosphor-Brandbomben in der Nähe des Hofes Pier-Hüwe in Osterwick, Dorfbauernschaft 10 abgeworfen. Von den abbrennenden Bomben war das Dorf Osterwick so stark angeleuchtet, daß man auf dem Turm ein Schriftstück hätte lesen können.
Eine der Phosphor- Brandbomben fiel in einen Baum am Hofe des Bauern Pier-Hüwe und verspritzte den Phosphor an der Außenmauer des Gebäudes. Der Besitzer selbst wurde mit Phosphor bespritzt, das seinen Mantel in Brand setzte. Tatkräftiges Eingreifen des Besitzers hat den Brand sofort abgelöscht.
Die beim Forsthaus Burlo in Darfeld 300 Stabbrandbomben und 30 Phosphor-Brandbomben sind in den Waldungen und Weiden gefallen. Schaden wurde hier nicht angerichtet.
Während dieser Zeit rings um Osterwick herum an verschiedenen Stellen Brandbomben abgeworfen waren und bei der dunklen Nacht alles aufleuchten ließen, war aus der Richtung des abgestürzten Flugzeuges in der Gemeinde Holtwick ein heller Feuerschein zu erkennen.
Als dann der Feuerwehrmann Niehues aus Holtwick als Motorradmelder die Meldung überbrachte, daß der Bauernhof Sch. Niehoff durch Phosphor- Brandbomben in Brand geworfen sei und die Feuerwehr Holtwick infolge einer notwendigen Reparatur am Löschgruppenfahrzeug nicht ausrücken könne, habe ich die Osterwicker Feuerwehr durch Weckerlinie alarmiert.
In Höhe des Hofes Schlemann in Holtwick–Hegerort wurde uns mitgeteilt, daß nicht der Hof Sch.Niehoff brenne, sondern ein 300 m. östlich von diesem Hofe abgestürztes englisches Flugzeug den Feuerschein verursache.
An Ort und Stelle habe ich dann später festgestellt, daß hier der 4 motorige englische Bomber S J B 858 Halifax II mit Merein-Motor abgestürzt war. Die Maschine stürzte westlich der Strasse Coesfeld - Ahaus in Höhe der Hermannshöhe ab. Hiervon ist ein Bild [zerstörte Halifax] vorhanden:
In weitem Umkreis lagen große Teile des bereits in der Luft explodierten Flugzeuges. 2 m große Stücke wurden sogar bei der Schule Osterwick- Varlar und an der Straße Osterwick–Coesfeld gefunden. Ein Motor lag 100 m. jenseits des Hofes Sch. Niehoff. Das Leitwerk lag in einer Entfernung von 30 m. vom Hauptrumpf und hatte eine Länge von 8–10 m. In diesem Leitwerk befanden sich 2 Leichen englischer Flieger, welche noch völlig erhalten waren. Heckschütze war: Sgt. Davidson
Im Hauptrumpf lagen die Leichen von 5 völlig verkohlten englischen Fliegern. Außerdem befanden sich noch unter dem Rumpf nicht abgeworfene Phosphor-Brandbomben. Der Rumpf trug an der Seite eine große Kokarde in den Farben rot-weiß-blau-gelb.
Der 8. Insasse des Flugzeuges: Sergeant Robert Banks Wright, Douglas Nack Isle of Arran Scottland wurde kurz nach dem Absturz in der Nähe der Absturzstelle gefangen genommen. Er war mit Fallschirm abgesprungen, wobei ihm Strümpfe und Stiefel ausgerissen wurden. Außer geringen Verletzungen im Gesicht an Händen und Armen war er unverletzt geblieben. Dieser Gefangene wurde am Samstag, den 26. 6. 1943 um 18 Uhr einer Abordnung der Luftwaffe unter dem Kommando des Oberstleutnants Taige und Prüfmeisters Meier übergeben.
Außerdem ist in dieser Nacht ein feindliches Flugzeug kurz hinter der Gemeindegrenze Holtwick–Legden auf Legdener Gebiet abgestürzt. 3 Insassen dieses Flugzeuges sind tot auf Holtwicker Gebiet gefunden. Diese 3 Toten wurden in Legden beigesetzt, da sie zu der Besatzung des in Legden abgestürzten englischen Flugzeuges gehörten.
Die 7 in Holtwick geborgenen Leichen wurden am Montag, den 28. 6. 43. auf dem Friedhof in Holtwick [oder Friedhof Legden, muß geprüft werden] mit militärischen Ehren von 40 Mann des Panzer-Grenadier-Ausbildungs-Btl. 4 aus Coesfeld bestattet (Grab Nr.11).
Insgesamt wurden in dieser Nacht im Amtsbezirk Osterwick folgende Abwürfe festgestellt.
a ) Osterwick.
200 Stabbrandbomben und 30 Phosphor-Brandbomben in der Dorfbauernschaft.
b) Darfeld:
300 Stabbrandbomben und 30 Phosphor-Brandbomben beim Forsthaus Burlo.
c) Holtwick:
4 Sprengbomben, 30 Phosphor-Brandbomben und 200 Stabbrandbomben in der Bauernschaft Hegerort und im Schlee.
Schäden in dieser Nacht:
Bauer Sch. Niehoff in Holtwick, Kspl. 136:
Flurschaden auf den mit Roggen, Klee und Kartoffeln bestellten Grundstücken, mehrere Obstbäume vernichtet bzw. beschädigt.
Dachschaden am Wohn- und Wirtschaftsgebäude, Schuppen und Speicher, Zertrümmerung von 29 Fensterscheiben und Beschädigung der Fensterrahmen.
8 Kühe mußten notgeschlachtet werden.
Landwirt Josef Kortbus in Holtwick, Kspl. 53.
Zertrümmerung von 2 Fensterscheiben.
Händler Klemens Müther in Holtwick, Kspl. 81.
Zertrümmerung von 2 Schaufensterscheiben und 2 kleinen Scheiben.
Bauer Bernh. Uppenkamp in Holtwick, Kspl. 69.
Dachschaden am Wohn- und Wirtschaftsgebäude und Schuppen. Zertrümmerung von 6 qm Fensterscheiben u. Beschädigung mehrerer Fensterrahmen.
Landwirt Heinrich Averbeck in Holtwick, Kspl. 60 a.
Zertrümmerung von 3 Fensterscheiben am Wohnhaus und 1 Schutzkuppel der elektr. Lampe.
Bauer Ww. Deiger in Holtwick, Kspl. 67.
Flurschaden auf dem mit Hafer bestellten Grundstück „Esch“ und Flurschaden an dem Waldgrundstück „Heiländchen“.
Bauer Ww. Eink gt. Stodtmann in Holtwick, Kspl. 68.
Flurschaden auf dem mit Roggen bestellten Grundstück „Röhrchen“.
Bauer Fritz Heidbrink in Holtwick, Kspl. 41.
Flurschaden auf dem mit Rüben bestellten Grundstück „Steenkamp“.
Die Namen der beiden identifizierten und mit den übrigen 5 völlig verkohlten Leichen beigesetzten englischen Flieger sind:
1. Sergeant Mc. Neß, Erk.Marke 1 391 023
2. Sergeant Acton, Erk.Marke 115 653.
Betr. LS-Führerprogramm.
Verfügung vom 17.April 1943 -Geh.-
Nach der angezogenen Verfügung liegt das am schwersten angegriffene Gebiet des Luftgaues innerhalb der Grenzen Billerbeck–Coesfeld–Gescher, so daß der Amtsbezirk Osterwick mit den Gemeinden Darfeld, Holtwick und Osterwick außerhalb dieses Gebietes liegt.
Bisher [Am Rand: 1. 7. 43] sind im Amtsbezirk Osterwick in 16 Nächten insgesamt 116 Sprengbomben, 1910 Stabbrandbomben und 110 Phosphorbomben geworfen.
7 Bauernhöfe und 1 große Scheune hatten Totalschaden.
Unter Berücksichtigung dieser Tatsachen, bitte ich die Grenze des besonders stark gefährdeten Gebietes statt von Billerbeck über Coesfeld von Billerbeck über Darfeld–Osterwick–Holtwick–Gescher zu ziehen.
Dadurch würde dann im hiesigen Bezirk die Nordwestgrenze des am schwersten angegriffenen Gebietes sich mit der Grenze des Kreises Coesfeld decken.
Hf [Dr.Herbsthoff]